Exkursion nach Friedland
Rückblick auf die Exkursion nach Friedland am 27./28. Mai 2024, organisiert von Riwwel gUG und dem Jugendklub der Russlanddeutschen „Warum бы и nicht“ Berlin
“Anstatt übereinander zu reden, lasst uns lieber miteinander reden”
– diese Worte von Martin Schmidt, Referats- und Standortleiter im Grenzdurchgangslager (GDL) Friedland, wurden während des zweitägigen Austauschs mit dem Bundesverwaltungsamt (BVA) oft wiederholt. Katharina Haupt, IDRH-Bildungsreferentin, schloss sich dieser Exkursion nach Friedland an, um mehr über das GDL und die Arbeit des BVA zu erfahren. Die Veranstaltung wurde von Riwwel gUG organisiert und fand im Rahmen der Maßnahme „Gemeinsam unterwegs: Anerkennung, Begegnung, Identität“ statt.
Das GDL Friedland ist im ganzen Bundesgebiet die einzig verbliebende Erstaufnahmeeinrichtung des Bundes für Spätaussiedler. Seit einigen Jahren kommen ebenfalls Asylbewerber und Personen aus humanitären Aufnahmeprogrammen hier an – 30 bis 40 Nationen sind mittlerweile anzutreffen. Der Meinungsaustausch in den vertrauten Mauern Friedlands, wo die Teilnehmer früher oder später ihre erste Aufnahme als Spätaussiedler erlebten, war von großer Bedeutung.
Am ersten Tag lernten wir mehr über die Aufnahmepraktiken und welche Prozesse hinter den Kulissen ablaufen. Unsere Gemeinschaft, die sich mit der Gruppe der Spätaussiedler und Russlanddeutschen befasst, hat vom BVA enorm profitiert. Bei der Ankunft in Deutschland waren wir zunächst mit Ankommen und Orientieren beschäftigt und nahmen das Ausmaß an Organisation im Hintergrund kaum war. Nun erhielten wir die Gelegenheit, die Arbeitsprinzipien und die Aufnahmeverfahren aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Neben Herrn Schmidt nahmen auch der bekannte Jonatan Tomczyk aus dem Referat für Spätaussiedleraufnahmeverfahren, sowie die Dolmetscherin Swetlana Vollmer am Austausch teil.
Klaus Siems, Leiter des GDL, führte uns über das Gelände. Er zeigte uns, wie die Wohnsituation sich mit den Jahren änderte und welche Einrichtungen sich für Bewohner befinden z.B. für Kinder und Jugendliche. Besonders interessant war eine erhaltene sog. Nissenhütte. Sie repräsentiert die Anfangsphase des Lagers. Neben Zelten und einem Stallgebäude dienten ab 1945 zunächst solche Wellblechbaracken der Registrierung, ärztlichen Versorgung, Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen und Schutzsuchenden.
Torsten-Wilhelm Wiegmann ist Pastor im GDL und Geschäftsführer der dort tätigen Inneren Mission/Evangelisches Hilfswerk e.V. Er stellte uns seine Arbeitsbereiche vor sowie die Lagerkapelle. Als die evangelische Lagerkapelle 1949 eingeweiht wurde, sollte sie lediglich ein Provisorium sein. Heute ist sie das älteste an seinem ursprünglichen Standort erhaltene Gebäude und zudem immer noch in Funktion. Regelmäßig werden hier Gottesdienste und weitere Veranstaltungen angeboten, die für Angehörige aller Religionen offen sind. Seit 2019 ist die Kapelle als Pilger- und Radwegkirche am Pilgerweg Loccum öffentlich zugänglich.
Am zweiten Tag trafen wir uns mit NGOs, die in Friedland tätig sind und Migrationsberatungen anbieten. Dazu gehören der DRK-Suchdienst, die Innere Mission und Caritas. Außerdem trafen wir uns mit Spätaussiedlern, die derzeit in Friedland sind, und besprachen mit ihnen ihre aktuellen Probleme und Fragen. Dieses Begegnungsformat, bei dem wir, die „alten“ Spätaussiedler, mit den „neuen“ sprechen konnten, und dies unter der Beteiligung der BVA-Leitung, war ein sehr fruchtbarer Austausch. Riwwel gUG plant, dieses Format weiterzuentwickeln und künftig in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen der Russlanddeutschen sowie unter Vermittlung des BVA fortzuführen. Zum Abschluss unserer Reise besuchten wir das Museum Friedland, wo wir eine sehr gute, kommentierte Führung erhielten. Die Dauerausstellung „Fluchtpunkt Friedland“ führt in einem spannenden Parcours hinein in die Geschichte des Grenzdurchgangslagers von 1945 bis heute. Im historischen Bahnhof von Friedland erzählt sie mit modernen Medien und bewegenden Geschichten von der Arbeit und Bedeutung des Lagers im Wandel der Zeit. Sie geht den Wegen derer nach, die seit über siebzig Jahren hier ankommen. Und sie wirft Fragen auf, die uns heute beschäftigen: Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen? Wie kommen sie nach Deutschland? Wie werden sie aufgenommen? Wer kann bleiben?
Herzlichen Dank an Martin Schmidt sowie an das BVA, das GDL Friedland, das Museum Friedland und alle weiteren Mitwirkenden für die hervorragende Organisation.
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