Veranstaltungsreihe „Heimat im Herzen“
Auf der Suche nach Heimat und Identität in Liedern, Lyrik und Prosa
Was ist eigentlich Heimat? Ist das unser Geburtsort? Oder ist das ein Ort, an dem wir uns wohlfühlen und an den wir immer wieder gerne zurückkommen? Ein Ort, der uns Halt und Stabilität gibt? Muss Heimat zwangsläufig ein Ort sein? Vielleicht ist Heimat ein Gefühl? Das Gefühl der Zufriedenheit, Sicherheit und Zugehörigkeit. Oder ist Heimat unsere Familie und Freunde? Warum fühlen sich manche Menschen heimatlos?
Diesen und vielen weiteren Fragen gehen unsere Referierenden mit ihren Impulsreferaten nach. Sie präsentieren ihre Vorstellungen von Heimat, Identität und Zugehörigkeit.
Russlanddeutsche und einheimische Autorinnen und Autoren lesen aus ihren prosaischen und lyrischen Werken, die sie der Suche nach Heimat und Identität sowie der russlanddeutschen Geschichte gewidmet haben. Russlanddeutsche Chöre umrahmen die Veranstaltungen mit deutschen und russlanddeutschen Liedern über Heimat musikalisch.
Im Anschluss hat das Publikum die Gelegenheit mit Referierenden, Literaturschaffenden, Chormitgliedern und miteinander ins Gespräch zu kommen. Gemeinsam können sie herausfinden, welche Bedeutung Heimat für die Deutschen aus Russland hat und wie dieses Verständnis ihr Leben in Deutschland, ihre Identität und Integrationsbemühungen prägt.
Für eine verbindliche Anmeldung kontaktieren Sie unsere Ansprechpartnerin Natalie Paschenko: n.paschenko@idrh-hessen.de. Sie steht Ihnen ebenso für Fragen und Anmerkungen zur Verfügung.
So war unsere Veranstaltung
Am 24. September 2022 erfuhr unsere Veranstaltungsreihe „Heimat im Herzen“ in Kassel einen runden Abschluss. Dabei durchlebte unser Publikum ein buntes Programm aus Tanz, Theater und Musik mit einer breitgefächerten Palette an Emotionen. Die talentierte Kinder- und Jugendtanzgruppe unter der Leitung von Ksenia Yuzhakova-Khod begeisterte uns mit einer schwungvollen Darbietung. Für Stimmung sorgte ebenso die Gesangsgruppe „Gute Laune“ aus Hofgeismar (der Name ist Programm). Ihr Repertoire umfasst Lieder sowohl in deutscher als auch russischer Sprache. Die Gesangsgruppe und Oleg von Riesen, dieses Mal als Musiker und Theaterdarsteller vor Ort, umrahmten die Veranstaltung musikalisch.
In ihrem Theaterstück „Meine Leute“ nahmen uns Katharina Martin-Virolainen und Oleg von Riesen mit auf den Weg der russlanddeutschen Auswanderungsgeschichte: Beginnend vom Manifest der russischen Zarin Katharina der Großen, von der Übersiedelung nach Russland, über Verfolgung und Deportation in der Sowjetunion bis zur Ausreise in die historische Heimat Deutschland in den 1980er/1990er-Jahren.
Zum Schluss gab es eine offene Gesprächsrunde unter der Leitfrage „Was bedeutet für dich Heimat?“. Für einige ist der Begriff ortsgebunden, für andere ist er mit Erinnerungen und den Liebsten verknüpft. Ein besonders emotionaler Moment war, als eine Teilnehmerin ihr selbstverfasstes Gedicht „Frau ohne Heimat“ vortrug.
Wir bedanken uns bei Ksenia Yuzhakova-Khod und ihrer Tanzgruppe, beim Theaterduo Katharina & Oleg und bei den Sängerinnen von „Gute Laune“. All eure Auftritte trafen mitten ins Herz. Vielen Dank an unser Publikum, das sich mit so viel Offenheit und Neugier beteiligt hat.
So war unsere Veranstaltung
Am 17. September 2022 ging unsere Veranstaltungsreihe „Heimat im Herzen“ in die zweite Runde. In der Evangelischen Stephanusgemeinde in Gießen luden wir alle Interessierten zu einem abwechslungsreichen Kulturprogramm: Zum Einstieg hielt unser Referent Oleg von Riesen einen Vortrag zum Thema „Heimat? Ja, aber…“, bei dem er den verschiedenen Aspekten des Heimatbegriffs nachging. Er illustrierte seine Ausführungen mit poetischen Zitaten und autobiografischen Anekdoten. Oleg von Riesen kam 1993 nach Deutschland aus Kasachstan, lebt derzeit in Köln und ist als Musiker und Kulturschaffender tätig. Seit 20 Jahren ist er Mitglied der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland und im Literaturkreis der Deutschen aus Russland. Zudem ist er musikpädagogischer Leiter des Russlanddeutschen Kinder- und Jugendtheaters Eppingen. Während der Veranstaltung gestaltete er – neben der Gesangsgruppe „Heimatklang“ – das musikalische Rahmenprogramm.
Die Gesangsgruppe „Heimatklang“ wurde vor 12 Jahren gegründet und wird von Olga Kallasch geleitet. Das Repertoire umfasst Lieder in deutscher, russischer und ukrainischer Sprache. Es sind Lieder, die sie als Russlanddeutsche mitbrachten. Die Gruppe begleitet gelegentlich u.a. den Gottesdienst in der Ev. Stephanusgemeinde. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie war dies ihr erster öffentlicher Auftritt.
Kann ein Mensch, der verfolgt, entrechtet, seiner Heimat entrissen, seiner Kultur und Sprache beraubt wird Trost und überhaupt je wieder Freude am Leben finden? Was hält einen Menschen überhaupt an Leben?
Das Ensemble des Russlanddeutschen Kinder- und Jugendtheaters Eppingen präsentierte das berührende Theaterstück „Die Ballade von Zeitscherben“, einer Produktion der LMDR-Hessen e.V. in Kooperation mit dem Russlanddeutschen Kinder- und Jugendtheater Eppingen. Inspiriert durch das Leben und Schaffen der russlanddeutschen Lyrikerin und Kinderbuchautorin Nora Pfeffer wird das tragische Schicksal einer deutschen Dichterin in der Sowjetunion nachgezeichnet. Am Beispiel ihres Lebensweges zeigt das Theaterstück, wie deutsche Kulturschaffende in der Sowjetunion ihre Rettung in der Kunst fanden und sich eine Art Heimat in Literatur, Musik und Kunst neu erschufen.
Besetzung: Paulina als Clara Pfeiffer / Nora Pfeffer | Katharina als Clara Pfeiffer / Nora Pfeffer | Mark als Georg Keraschwili | Amely als Sofiko | Oleg als Hauptmann Tschirikow
Moderation: Natalie Paschenko, künstlerische Leitung: Katharina Martin-Virolainen
Wir bedanken uns herzlich beim großartigen Russlanddeutschen Kinder- und Jugendtheater Eppingen sowie der Gesangsgruppe „Heimatklang“ für ihre unvergesslichen Darbietungen. Ein großer Dank gebührt Oleg von Riesen, der als Multi-Talent nicht nur einen interessanten Vortrag hielt, sondern auch als Musiker und Darsteller die Veranstaltung bereicherte. Vielen Dank an die Evangelische Stephanusgemeinde für ihre Gastfreundschaft und selbstverständlich bedanken wir uns bei allen, die im Publikum dabei waren!
Diese Veranstaltung wurde gefördert durch das Hessische Ministerium des Innern und für Sport.
Wendelin Mangold (* 1940 in Schewtschenko, Oblast Odessa) studierte in Sibirien, lehrte danach Deutsch und deutsche Literatur an der Pädagogischen Hochschule in Kasachstan und promovierte schließlich zum Doktor der Philologie. 1990 siedelte er nach Deutschland über, wo er bis zu seiner Pensionierung als Sozialarbeiter bei der Aussiedlerseelsorge tätig war. 2017 wurde er für sein Engagement und seine Lebensleistung zum außerordentlichen Ehrenmitglied des Literaturkreises der Deutschen aus Russland ernannt.
Jeder Mensch wird in einen Ort hineingeboren, in dem die frühesten Sozialisationserlebnisse stattfinden, die seine Identität, den Charakter, die Mentalität, die Einstellungen und die Weltauffassungen als Grundpfeiler prägen, die ihn sprachlich und kulturell beeinflussen und erziehen, wobei gesellschaftliche und familiäre Umstände im Widerspruch stehen können, Schicksalsschläge wie Vertreibung, Verschleppung, Entrechtung etc. zur Auswanderung führen können, so der Exodus der Russlanddeutschen.
Das heißt, die alte Heimat verlassen und nicht vergessen, die neue Heimat annehmen, verstehen und liebgewinnen, mit einem Wort, heimisch werden! Der lateinische Spruch: „Ubi bene, ibi patria.“ (deutsch: „Wo es mir gut geht, da ist mein Vaterland, meine Heimat.“) verdeutlicht das.
Gelegentlich äußern Menschen mit Migrationsgrund, dass sie beide Länder, das ihrer Herkunft und das des Aufnahmelandes als ihre Heimat empfinden.
Die neue Beheimatung ist ein Prozess, der die Eigenaktivität des neu Hinzugekommenen erfordert. Zentral dabei ist der Erwerb der Sprache des Aufnahmelandes. Dabei spielt die Offenheit der aufnehmenden Gesellschaft eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen, dabei sind zwei-drei Generationen erforderlich, bis die Integration vollständig abgeschlossen ist.
Also, es ist eine Herzensangelegenheit: die alte Heimat im Herzen behalten, die neue Heimat herzen! Dabei spielen Kunst und Literatur eine wichtige Rolle, wobei ein Lied oder ein Gedicht uns zu Herzen gehen und tiefe Gefühle hervorrufen kann.
Als Pädagoge und Autor habe ich mich schon immer für das Schicksal meiner russlanddeutschen Landsleute in der alten Heimat und ihre Integration und Eingliederung in der neuen historischen Heimat gesellschaftlich und literarisch eingesetzt, als Beispiel das Geleitwort des Weihbischofs Gerhard Pieschl, Beauftragter der deutschen Bischofskonferenz für Vertriebenen- und Aussiedlerseelsorge, zu meinem Gedichtband „Zu sich wandern. Gedichte eines Russlanddeutschen“.
Weiter lese ich einige Gedichte vor aus meinen jüngsten Büchern „Findlinge. Gedichte eines Zeitzeugen“, 2021 und „Leben mit Poesie. Gedichtauswahl aus fünf Jahrzehnten“, 2022.
Dr. (k.p.n.) Swetlana Kappis-Krieger wurde in Temirtau, Kasachstan geboren. Sie studierte Anglistik und Germanistik auf Lehramt in Orenburg, Russland und dort promovierte sie im Bereich Pädagogik. Vom Jahr 2010 bis zum Jahr 2018 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Johannes-Gutenberg-Universität, am Institut für Erziehungswissenschaft, tätig. Die Forschungsschwerpunkte waren Biographie- und Migrationsforschung, Narrationsanalyse. Seit dem Jahr 2020 ist sie die Projektleiterin des LmDR-Projekts „Empowerment & Engagement. Integration durch gesellschaftliche Partizipation.“ Im Kreis Groß-Gerau.
Der Titel des Impulsvortrags: „Die Suche nach sich selbst – Wie Heimatgefühl unsere Lebensgeschichte beeinflusst.“
Das Heimatgefühl wird in der Kindheit geprägt, da sich Ereignisse, die mit starken Emotionen besetzt sind, besonders ins Gehirn einbrennen. Dieses Gefühl begleitet die Menschen ihr ganzes Leben und kann zu der wichtigsten Ressource, zu einer Kraftquelle, werden. Aber es gibt auch die dunkle Seite des Gefühls, wenn sie als finsteres Verlies, aus dem kein Entkommen gibt, erlebt wird oder wenn sie fehlt. Im Mittelpunkt des Impulsvortrages wird es die Frage stehen: Inwieweit ist es wichtig ein positives Heimatgefühl zu haben und was kann man tun um solches Gefühl wiederzufinden?
So war unsere Veranstaltung
Unsere neue Reihe „Heimat im Herzen“ startete am Dienstag, den 28. Juni 2022 mit einer ersten Veranstaltung in Groß-Gerau. Im dortigen Kulturcafé begrüßten wir unser Publikum und unsere Gäste: die Projektleiterin von EmEIgeP Swetlana Kappis-Krieger, den Autor Wendelin Mangold und die Gesangsgruppe „Heimatglocken“. Mit ihrem Impulsvortrag unter dem Titel „Die Suche nach sich selbst – Wie Heimatgefühl unsere Lebensgeschichte beeinflusst“ stimmte uns Swetlana Kappis-Krieger auf das Thema ein. Sie beschrieb den Begriff als psychologisches Konstrukt, welches ambivalent besetzt sein kann. Im Anschluss stellte Wendelin Mangold eine Auswahl seiner Publikationen vor und las Gedichte quer durch die Jahrzehnte seines Schaffens. Bei seinen Ausführungen ging er darauf ein, welche Bedeutung „Heimat“ für ihn hat und welche Assoziationen damit zusammenhängen z.B. Schnee und Himbeeren, die sich ebenfalls als Motiv in seinen Gedichten wiederfinden.
Die Gesangsgruppe „Heimatglocken“ unter der Leitung von Olga Mashinskaya umrahmte die Veranstaltung. Ihr vielfältiges Repertoire umfasst u.a. russlanddeutsche Volkslieder. Ein ausführliches Interview mit dem Chor inklusive Darbietung finden Sie auf dem YouTube-Kanal der LmDR e.V.
Wir bedanken uns herzlich bei unseren Gästen und beim Publikum für die wunderbaren Beiträge und Gänsehautmomente. Wir schätzen eure Offenheit bei einem solch persönlichen Thema. Lasst uns weiterhin gemeinsam erinnern und Geschichten erzählen!
Vielen Dank an die LmDR Kreisgruppe Groß-Gerau und das Kulturcafé für die gelungene Zusammenarbeit.
gefördert durch